Deutsche historische Genusswelt

Culinary History der deutschen Küche

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Über die historische deutsche Küche

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Kaiserin Auguste Viktoria

Was wissen Sie über die deutsche Küche? Kennen Sie die historische deutsche Küche? Ja? Nein, das glaube ich nicht. Was so gut wie alle Deutschen meinen ist, sie kennen die „Hausmannskost“ oder das, was man allgemein dafür hält. Viele User, so erfährt man aus Foren, betrachten unsere deutsche Küche als so eine Art Armenküche. Abgeranzt, miefig, langweilig, ohne Raffinesse. Das, was die meisten Deutschen kennen, ist die Sparküche der letzten deutschen Kaiserin Auguste Viktoria oder die Kriegsküche beider Weltkriege. Die frömmelnde Kaiserin hatte Berlin mit einem Meer von Kirchen überzogen und „Sparsamkeit“ zur größten deutschen Tugend der Frau und Mutter erhoben. Sie hatte viele Helfer. Ein Pulk von Kochbuchschreiberinnen, Frauenvereinen und Pfarrern arbeitete emsig an der Verbreitung von Auguste Viktorias Sparzwang.
Sicherlich war die Absicht unserer guten Kaiserin ehrenvoll, doch im Sinne der traditionellen deutschen Küche verheerend. Das kollektive Vergessen begann mit der Vorkriegszeit und ist fast vollendet. Natürlich sind Kriege immer eine furchtbare Ausnahmesituation, doch irgendwann muss die Normalität zurückkommen. Die historische deutsche Küche kam nie zurück. Das führte letztlich dazu, dass Deutschland seine eigene kulinarische Identität so ziemlich flächendeckend verloren hat. Die Menschen suchen im Ausland eine vermeintlich raffiniertere Küche ohne die landeseigene Kulinarik auch nur ansatzweise zu kennen.

Geschichte der deutschen Küche


Die frühesten schriftlichen Zeugen unserer heimischen Küche stammen aus dem Mittelalter. Neben diversen handschriftlichen Rezeptsammlungen adliger Frauen hat sich ein Buch zum Startpunkt entwickelt, das »Buch von guter Speise des Michael de Leone (Michael Jude). Michael hatte für seine Nachfahren ein Hausbuch angelegt, in welchem auch Kochanweisungen überliefert wurden. Liest man diese Kochanweisungen sehr genau, kann man erkennen, dass die dort erhaltenen Gerichte im Grunde genommen auch heute noch zur deutschen Küche gehören. Michael lebte in Würzburg. Er war Protonotar der Fürstbischöfe, Patrizier und finanziell gut aufgestellt. Die Speisen des Hausbuches lesen sich in der heutigen Zeit wie eine Sammlung deutscher Armenküche. Im Mittelalter waren sie jedoch nur für Reiche erschwinglich. Das hatte nichts nur mit den teuren Gewürzen zu tun, es lag u.a. auch an den verwendeten Rohstoffen.

Was aßen reiche Leute im Hochmittelalter rund um den Odenwald? Frittatensuppe, Pizza, Presskopf, Blamenser- eine Vorstufe des Frikassees, Mandelmilchpudding, Pasteten, Fisch und edles Fleisch. Man würzte mit Safran und Pfeffer. Unter den Kochanweisungen finden sich Alltagsgerichte wie auch Festspeisen. Bei vielen Menschen der heutigen Zeit kommt sehr schnell das Argument, die ollen Sachen kann doch niemand mehr essen. Nein? Warum nicht? Wir essen sie doch.

Kochbücher wurden nur für Reiche geschrieben


Ja natürlich. Von Köchen der Reichen und Patrizierfrauen für ihresgleichen. Mal ganz ehrlich gefragt. Was hätten denn die armen Leute mit einem Kochbuch anfangen sollen? Nicht nur die einfachen Leute waren zum großen Teil Analphabeten, auch der Adel. Man möge es mir verzeihen, aber selbst die oft herbeizitierte Hildegard von Bingen war nur sehr schlecht im Umgang mit dem geschriebenen Wort, Latein beherrschte sie schon mal gar nicht. Kaiser Otto war ebenfalls weder des Schreibens noch des Lesens kundig.

Bis zum Ende des 17. Jhd. waren Kochbücher eher spärlich verbreitet. Es kam die große Zeit der Aufklärung und verdrängte nach und nach die Hausväterliteratur. Gegen Ende des 18. Jhd. jedoch gab eine wahre Explosion an Kochbüchern. Es war die Zeit des aufstrebenden Bürgertums, es entstand ein Bildungsbürgertum und die industrielle Revolution sorgte für zahlreiche Verschiebungen zwischen Stadt und Land. Stehen bleibt die Frage, was sollten die untersten Schichten mit Kochbüchern? Die mit Worten hochdekorierte Henriette Davidis kassierte von den einfachen Sprockhövlern wie auch den Amerikanern den Kommentar, dass ihre Kochbücher völlig wertlos waren für sie, denn sie konnten sich die Zutaten gar nicht leisten. In Amerika gingen sie am Geschmack der Deutschen vorbei, denn die hatten sich längst auch kulinarisch integriert. Es wurden im Verlaufe des Jahrhunderts tausende von Kochbüchern auf den Markt geworfen. Bei intensiver Betrachtung dieser vielen Bücher ergibt sich ein Bild:

  • 1. Die Qualität des Inhalts nimmt zum Jahrhundertwechsel immer stärker ab.
  • 2. 70 % all dieser Bücher waren Raubkopien und Plagiate.

Niemand soll glauben, dass nur die einfachen Lohnschreiberinnen abschrieben. Auch die „gestandenen“ Köche kopierten reichlich. Man glaubt es kaum: genau bei diesem Heer der Lohnschreiberinnen :-)

Mit dem letzten deutschen Kaiser und seiner verehrten Frau Gemahlin speckten die Kochbücher ab. Es wurde gespart, alles auf die Billigschiene gedrillt. Schon hier wurde das kollektive kulinarische Vergessen erkennbar. Viele Gerichte verschwanden aus den Kochbüchern, immer mit der Begründung, man passe sich an die veränderte Zeit an. Irgendwie schon richtig. Man passte sich an, denn die späteren Bearbeiterinnen der frühen Kochbücher machten aus, soweit noch vorhanden, regionalen Kochbüchern gesamtdeutsche Kochbücher. In erster Linie trachteten sie danach, sich selber zu profilieren. Hier seien alle Davidis Bearbeiterinnen genannt. Voran Erna Horn. Dem Scheiblerschen Kochbuch erging es nicht anders. Die Ausgaben nach dem Tod von Wilhelmine Scheibler wurden bayerisch.

Darstellung der regionalen Küchen


Bei dem Vergleich von annähernd 3.000 Kochbüchern kann man die Feststellung treffen, regional geprägte Kochbücher gab es nie. Es mag im Titel irgendein Stadtbezug stehen, wahr ist es nicht. Der Anteil der wirklich regional einzigartigen Rezepte liegt bei unter 20 %. Das ist auch normal. Man betrachte die Wege, die Menschen und Informationen zurücklegten und immer noch zurücklegen. Zu jeder Zeit gab es »Völkerwanderung«. Menschen verändern ihren Wohnsitz in der Hoffnung, woanders besser zu leben. Mit ihnen wandern auch die Essgewohnheiten, die erlernten Speisen und Zubereitungsweisen. Essen und trinken war zu jeder Zeit, in allen Jahrhunderten, politisch beeinflusst. War französisch politisch korrekt, häufte sich die französische Küche. War England politisch korrekt, nahmen diese Gerichte zu. Weiter kamen Besatzungszeiten hinzu, Kriege, Kolonisierung, Peuplierung usw. Die deutsche Küche ist eine über viele Jahrhunderte geprägte Migrationsküche. Es gibt nur wenige Speisen, die in ganz Deutschland regional einzigartig sind. Bei einer Datenerhebung vor einigen Jahren kam man auf 900 Gerichte, die man mit gutem Gewissen unter »deutsche_nationalkueche« ablegen kann. Diese Gerichte haben sich im Laufe der Jahrhunderte allerdings auch verändert. Letztlich trägt zu solchen Mutationen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln bei. Artenschutz, Erkenntnisse hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen, Aussterben und anderes mehr.
Nehmen wir nur einige Beispiele für des Deutschen liebstes Futter. Überall in Deutschland isst man Nudeln, Reis, Kartoffeln, Getreide, Milch, Fisch und Fleisch. Daraus werden Reibekuchen (Kartoffelpuffer), Kartoffelsalat, Kartoffelsuppe. Brot, Brötchen, Kuchen. Flammerie in den verschiedensten Variationen. Frikasseé, Feine Ragoutss, Goulasch, Schweinebraten, Rinderbraten, Sauerbraten…….Himmel und Erde, Blutwurst, Birnen Bohnen Speck, Apfelkuchen, Klöße…Das kann man beliebig fortsetzen.

Was ist nun die wirkliche deutsche Küche?


Auf diese Frage gab es noch keine Antwort. :-) Die historisch gewachsene deutsche Küche ist weder eine »Sparküche, Billigküche, Kriegsküche«, noch langweilig und ohne Raffinesse. Sie war immer stark französisch geprägt, und vereinigte immer gesamteuropäische Akzente. Man muss dazu wissen, dass die deutschen Monarchien mit dem englischen Königshaus und dem russischen Zarenhaus in gerader Linie verwandt waren. Deutsche Prinzessinnen stellten die russischen Zarinnen und deutsche Prinzen saßen auf dem englischen Thron. Umgekehrt natürlich ebenso. Die deutsche_hofkueche war adäquat aller anderen Königshäuser. Hofküchen reflektierten auf die bürgerliche Küche. In Österreich wurde das sogar angestrebt. Aus der Hofküche wurden Rezepte in das Bürgertum verbreitet. In Deutschland lief es ähnlich. Zu allen Zeiten tauschten die hohen Frauen des Adels Rezepte. Das bekannteste Beispiel war Anna von Sachsen.
Natürlich ist Sauerkraut, Kassler und Kalter Hund typisch deutsch, aber die traditionelle deutsche Küche ist noch viel, viel mehr.

Die deutsche Küche ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt. Sie setzt sich zusammen aus: französischer Küche, englischer Küche, russischer Küche, niederländischer Küche, schwedischer Küche, dänischer Küche, böhmischer Küche, polnischer Küche, jüdischer Küche-als Hauptimporteure. Amerika war eher ein Exportland für die deutsche Küche, denn die Deutschen wanderten nach Amerika aus, und verteilten sich über das gesamte Land. Aus all diesen Küchen gab es bereits ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert Kochbücher in deutscher Sprache, oder Gerichte in deutschen Kochbüchern. Selbst aus Asien.

Kanada und Australien waren klassische Auswanderungsländer. Hier gab es kaum eine direkte Rückkopplung. Die afrikanische Küche war bedeutungslos.

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