Deutsche historische Genusswelt

Culinary History der deutschen Küche

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Die deutsche historische Genusswelt beginnt für uns im Mittelalter, denn seit ca. 1350 ist ein „Kochbuch“ überliefert, das Buch von guter Speise. Der Autor war Michael Jude, Michael de Leone, Protonotar der Fürstbischöfe von Würzburg. Michael gehörte zum Patriziat von Würzburg, war sehr vermögend und konnte sich all das finanziell leisten, was in den Handlungsanweisungen stand. Einige seiner Kochanweisungen gehören zum deutschen Küchenerbe, was nicht heißt, dass sie auf deutschem Boden entstanden sind.

Viele Menschen schimpfen über die deutsche Küche. Beschimpfen sie als miefig und abgeranzt. Frage: Wer von den heute Lebenden kennt denn noch die gute deutsche Küche? Nach 1945 ist in Deutschland nur die Kriegsküche und die abgeschmackte Nachkriegsküche übrig geblieben. Man jubelt die schlecht gekochte Hausmannskost der ganzen Welt hoch, geschmacklos und fade, weil meist die Originalgewürze fehlen und die kochenden Möchtegerngastronomen meinen, der deutsche Esser sei ohnehin blöde. Nein, keiner wartet wirklich auf die schlechte Küche, die uns überschwemmt, wir müssen lernen, wieder unsere eigene Küche zu praktizieren.

Die klassische deutsche Küche ist eine europäische Migrationsküche, die ihren Ursprung im 17. Jahrhundert in der französischen Küche hatte. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts fanden französische Kochbücher eine immer stärkere Verbreitung, Deutschland französierte. Einer ganzen Reihe Kochbuchautoren diente ein Kochbuch als das non plus ultra. Frauen wie maria_sophia_schelhammer geb. Conring oder der „Unverwelkliche“ amaranthes schufen ihre Kochbücher nach dem Pariser Kammerdiener nicolas_de_bonnefons. Bonnefons legte Wert auf Sauberkeit, komplementäre Aromen und Einfachheit bei der Essenszubereitung. Übersetzt wurden seine Bücher von Georg Greflinger.

Zitat: „Eine Kohlsuppe soll ausschließlich aus Kohl bestehen.“ . . und möge das, was ich über Suppe sage, ein Gesetz sein, das auf alles angewendet wird, was gegessen wird.“

Natürlich gab es auch schon vorher Aufzeichnungen darüber, was gegessen und getrunken wurde. Das kulinarische Mittelalter und das 16. Jahrhundert hat uns viele handschriftliche Aufzeichnungen hinterlassen. Dazu gehören Handlungsanweisungen aus Klöstern, die fast schon zu den Standardwerken zählen. Bekannt sind ebenso die Bücher von Anna Wecker aus Colmar, Marxen Rumpolt, Balthasar Staindl und andere. Auch diese Speisen gehören zum kulinarischen Erbe der Deutschen und gehören noch heute zu unserer „Hauskost“. Es wird mir ein Vergnügen sein, dem geschätzten Leser aufzuzeigen, dass ein Großteil unserer heutigen Küche schon seit dem Mittelalter den deutschen Magen füllte. Und nicht nur den der „armen“ Leute wie vermeintlich gedacht, sondern den der Bürgerlichen und Adligen.

Erst im 19. Jahrhundert explodierte der Kochbuchmarkt. Buchautorinnen wie luise_loeffler (noch 18. Jahrhundert Erstausgabe), die Berliner scheiblerin oder später Henriette Davidis dominierten den Kochbuchmarkt neben zahlreichen Büchern, die von Berufs- und Hofköchen verfasst wurden. Bei genauer Betrachtung sind viele Kochbücher in allen Jahrhunderten Abschriften. Berufsköche schrieben von kochenden Hausfrauen ab, die wiederum von Köchen, Hofköche bedienten sich an der französischen Küche. Es entstanden Lexika der Kochkunst, die mal Abschriften waren oder den Lohnsklaven in den Verlagen als Vorlage dienten. Wirklich nützlich sind eigentlich nur diese oder die Kochbücher, die international anerkannte Köche schrieben.

Ich möchte allen Lesern dieses Wiki die historische deutsche Küche näher bringen, die Vorkriegsküche. Es wird in der Bewertung der historischen Kochbücher viel Unsinn geschrieben. Alles war zu fett, man verwendete ja Schmalz, hatte zu viel Eier, zu viel Zucker und viel zu große Mengen. Das ist Unsinn. Das Entfetten von Suppen und Soßen beherrschte man schon in alter Zeit. Heute ist das Kalkulationsgewicht von einem Ei 50 g, früher wogen Eier weniger, Zucker war nicht denaturiert. Schweineschmalz wurde wenig verwendet, gemeint war Butterschmalz. Alle Rezepte bis zur Vereinheitlichung mit 4 Personen basierten auf 6, 8, 12 Personen. Die heute gängige Kuchenformgröße ist 28 cm, solange in Kuchenpfannen gebacken wurde, waren es 20 cm.

Stellt man die heutige deutsche Küche der historischen deutschen Küche gegenüber, so ist sie wirklich langweilig. Alles ist übersüßt, trocken, sauer und wenig schmackhaft. Die heutige Elterngeneration kann kaum noch kochen, Kinder wissen nicht mehr, wie echtes Obst und Gemüse schmeckt. Fleisch wird industriell gezüchtet und exportiert, um noch mangelhafteres Fleisch zu importieren. Fast alles hat ein Bio-Etikett, um an der Preisschraube drehen zu können, dabei besteht die Nahrung nur aus Zutaten der Chemielabore, was die Menschen krank macht.

Ganz schlimm finde ich persönlich das Herumgemansche mit den Nahrungsmitteln. Schlecht erzogene Kinder werfen Nahrungsmittel auf den Boden und die Eltern gucken dumm. Esskultur scheint abgeschafft, es wird einem Übel beim Hinsehen. Mir macht das alles keinen Appetit, im Gegenteil.

Das Goldgöffel Rezeptbuch


Kochbücher sind eine Erfindung der Neuzeit. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein, gab es nur Handlungsanweisungen. Lesen und Schreiben waren Fertigkeiten, die mehr von Frauen beherrscht wurde. Ja, auch unter den Königen und Kaisern der Geschichte gab es Analphabeten. Köche gehörten zu den Menschen, die keinen hohen Bildungsstand hatten, da sie meist aus armen Verhältnissen kamen. Köche galten als unrein und genossen wenig Ehre, abgesehen von denen, die sich in den olymp_der_koeche gekocht haben. Kochanweisungen wurden überwiegend mündlich überliefert. Man hört immer wieder, dass die „Rezeptanweisungen“ nur so minimalistisch waren, weil die Zubereitung als bekannt vorausgesetzt wurde. Das möchte ich so nicht unterstreichen. Viele Schreiber der frühen Aufzeichnungen dieser Kochanweisungen waren Sammler und schufen Auftragswerke. Sie waren weder Köche, noch konnten sie mehr als essen. Viele dieser Handschriften entstanden durch Hörensagen und Kopie. Und Zugang zu solchen Netzwerken, wie es Jakob Wecker aufgebaut hatte in Colmar und an der Basler Hochschule, das war für diese Schreiber undenkbar.

Italien hatte Pellegrino Artusi und einen Silberlöffel. Warum soll die deutsche Küche dann keinen Goldgöffel haben? Kochbücher gibt es mehr als genug, gute und weniger informative. Betrachten wir den Goldgöffel als ein Kompendium der klassischen deutschen Küche. Eine Auswahl von Speisen, die sich seit dem Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in unserer heimischen Küche etabliert haben. Mit dem 20. Jahrhundert hat Deutschland seine eigene kulinarische Identität verloren. 2 Weltkriege und die Folgen der technischen Revolution, wie Massenarbeitslosigkeit, haben ausgereicht. Heute ist die Armenküche der ganzen Welt dem Deutschen wertvoller und interessanter als die eigenen kulinarischen Wurzeln.

los_gehts.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/26 04:26 von pfefferbrot